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Der Thüringer Schachbund trauert um unseren verdienstvollen Schachtrainer, der Trainerlegende

Heinz Rätsch

13.12.1934 – 11.03.2022

Am Freitagabend erhielt ich die Nachricht, dass unser über die Ländergrenzen bekannte und zurecht als Trainerlegende bezeichnete Heinz Rätsch am Morgen verstorben ist. Sein ganzes Leben hat er den 64 Feldern, die den meisten von uns die Welt bedeuten, gewidmet.

Als er das Schachspiel während eines neunmonatigen Heilungsaufenthaltes in der Kinderheilstätte Egendorf erlernte, war er bereits zwölf Jahre. Schach wurde für ihn schnell zum faszinierenden Hobby, später zur Leidenschaft und schließlich zur Berufung. Seine Erfolge im Jugendalter erkämpfte er sich als Autodidakt. Seine kurze spielerische Schachkarriere führten ihn aber auch vor Augen, dass man Schach schon in jungen Jahren erlernen sollte. Heinz war in seinen Entscheidungen sehr konsequent und kompromisslos. Er verschrieb sich Zeit seines Lebens der Nachwuchsarbeit. So studierte er an der DHfK in Leipzig und wurde Sportlehrer. Eine erste Anstellung in Leipzig folgte. Schnell wurde man auf den erfolgreichen Trainer aufmerksam und er wurde Nachwuchstrainer der DDR. Sein Ziel war es immer, den Nachwuchsspielern fundierte Kenntnisse über Schach zu vermitteln. Aus seiner Leipziger Schule gingen solche Persönlichkeiten wie Rainer Knaak, Lothar Vogt, Wolfgang Pietzsch und Petra Feustel hervor. Ein Höhepunkt war die Schacholympiade in Skopje 1972, wo er zum Trainerstab gehörte. Doch 1972 war auch ein einschneidendes Jahr für Schach in der damaligen DDR. Mit der Einstufung Schach als nichtolympische Sportart fielen praktisch über Nacht viele Einsätze bei Welt- und Europameisterschaften weg. Nur noch wenige Ausnahmen für Turniere im sogenannten nichtsozialistischen Ausland wurden zugelassen. Ein Studium in Bad Blankenburg folgte. Das Wettkampfsystem für Kinder und Jugendliche wurde auf das bis 1990 geltende System mit Bezirksmeisterschaften, Dreiviertelfinale und einem Finale, den DDR-Meisterschaften mit einer begrenzten Anzahl von Teilnehmern auf seinen Vorschlag hin umgestellt. Doch die Arbeitsbedingungen wurden für den zielgerichtet agierenden Menschen und Schachenthusiasten immer unerträglicher. So verließ er Leipzig, um für ein paar Jahre in einem Gothaer Betrieb als Leiter für Kader und Bildung zu arbeiten. Aber auch hier geriet er nach ein paar Jahren an die Grenzen der damaligen Planwirtschaft mit oft unsinnigen Vorgaben. Was er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, hat er auch nicht mitgemacht. Die Konsequenzen hat er selbst tragen müssen und mit ihm, seine Familie. Ein Jahr der beruflichen Findung folgte, bis sich wieder eine Anstellung im Sportbüro bei Motor Nordhausen fand. Die lies ihm genug Zeit, um sich eine Schachlehrertätigkeit aufzubauen, die er bis 1989 mit derselben Zielstrebigkeit fortführte, wie wir es von ihm gewohnt waren. Viele Vereine profitierten von seinem großartigen Schachverständnis.

Mit der Wende 1989 und 1990 eröffneten sich dem Schachtrainer Heinz Rätsch noch einmal neue oder soll man lieber sagen „alte Herausforderungen“! Er betreute die Auswahl der letztmalig für die DDR antretenden Frauen bei der Schacholympiade 1990 in Novi Sad. Heinz wurde nahtlos als Bundestrainer der Frauen im DSB übernommen. Nach zwei Jahren wurde seiner Bitte entsprochen, erstmalig im Deutschen Schachbund einen Bundesnachwuchstrainer zu etablieren. Unter seiner Ägide gelangten Spielerinnen und Spieler wie Elisabeth Pähtz, Roman Slobodjan, Leonid Kritz oder Fabian Döttling zu ersten und sehr beachtenswerten Erfolgen.

Auch ab 2000, nun als Rentner widmete er sich weiterhin seiner Berufung. Er spielte noch so manche Turniere, trainierte Jugendliche, besonders hier in Thüringen. Heinz war, solange es ging Betreuer unserer Nachwuchseleven bei den Deutschen Meisterschaften in Oberhof und Willingen.

Ich persönlich habe Heinz erst 1990 kennengelernt. Er war Trainer unserer Frauenmannschaft bei den Ländermannschaftsmeisterschaften in Braunfels und begleitete uns zu manchen Freundschaftskampf mit Hessen. Meine persönlichen Erinnerungen an Heinz sind verbunden mit viel Schachverstand, den er sich in akribischer Kleinarbeit und vielen Recherchen, bei unendlich vielen und tiefen Analysen verschiedener Stellungen angeeignet hat.

Ihm zu Ehren aßen wir in Braunfels im nahen Café immer eine Waffel „Heinz“. Sie schmeckte nicht nur gut, sondern hielt auch schöne Erinnerungen an ihn wach. – Und ich bin mir sicher, ich werde noch so manche dieser Waffeln essen und meinen Mannschaftskameradinnen über ihn erzählen.

Wenn Heinz mit Kindern ihre Schachpartie analysiert hat, war das immer auf Augenhöhe. Immer wollte er wissen, warum er einen Zug so gemacht hat und nicht anders. Heinz hatte eine wunderbare Gabe, nicht nur seine Schützlinge, sondern auch viele andere Schachlernende in seinen Bann zu ziehen.

Er erhielt 2007 die silberne Ehrennadel des DSB und 2019 das Bundesverdienstkreuz am Bande im Rahmen der Sportlerehrung der Stadtwerke Gotha.

Seine Vorträge bei Schulschachkongressen wie „Vom Klötzchenschieben zum Schachdenken“ oder „Meine Playstation hat 64 Felder – Was Computer nicht können!“ waren nicht nur von größtem Interesse, sondern zeigten auch dass Schach durchaus seine Faszination hat, auch jenseits von Computer und Co. Er war ein Verfechter analoger Lehrmethoden halt, regte die Kinder zum eigenständigen Lernen und Nachdenken an.

Er spielte, solange es ging für seinen Heimatverein dem SC Gotha 98 e.V. voller Stolz an der Seite seiner Schützlinge in der ersten Männermannschaft.

Man fand Heinz bis zuletzt auf den rar gewordenen Schachveranstaltungen. So begegnete ich ihm zuletzt auf der vom SK Erfurt mit viel Liebe ausgerichteten Werbeveranstaltung für Schach anlässlich der BUGA.

Sein Schachbuch „Siegerwege 001 – Sizilianische Wendepunkte & Schlagvariante“, das er gemeinsam mit Harald Fietz herausgab, geben Einblick in das Schachleben von Heinz Rätsch. Ich kann es nur empfehlen.

Wir verneigen uns nun ein letztes Mal vor unserem Erfolgstrainer, der Trainerlegende Heinz Rätsch – einem Mann der konsequent seinen Überzeugungen treu geblieben ist.

Lieber Heinz – Du wirst uns fehlen. Wir werden Dein Andenken in Ehren halten!

gens una sumus

Diana Skibbe, Präsidentin des Thüringer Schachbundes

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